Hausdurchsuchungen beim ehemaligen Vizekanzler von Österreich
22 August 2019 | Christin AchenDie aktuelle Causa Casino zieht inzwischen weitere Kreise, nachdem erst vor wenigen Tagen ein anonymer Brief bei der Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (kurz: WKSta) eingegangen ist. Nachdem sich die Sache erst vor wenigen Wochen aufgrund des Auftauchens des sogenannten Ibiza-Videos zuspitzte, stürzen sich nun alle österreichischen Medien auf die Analyse per Hausdurchsuchung sowie Handybeschlagnahmung des ehemaligen österreichischen Vizekanzlers Heinz-Christian Strache. Sie stellten die Folge einer anonymen Anzeige per Brief durch einen unbekannten Verfasser dar. Aber auch in diesem Fall tappen die Ermittler bezüglich der Motive des Veröffentlichers noch immer im Dunkeln. Ein Durchsuchen des Hauses des ehemaligen Vizekanzlers ist dabei nicht mit üblichen Hausdurchsuchungen zu vergleichen, die täglich dutzendfach in Österreich stattfinden.
Hausdurchsuchungen gegen österreichische Bürger stellen tiefen Eingriff in Grundrechte dar
Derartige Hausdurchsuchungen bei hohen politischen Ämtern haben in Österreich Tradition: Gegen Ende der 1960-Jahre erst wurde der bedeutende ÖVP-Politiker Viktor Müllner im Rahmen der damaligen Spendenaffäre aus dem Verkehr gezogen. Müllner stellte damals einen der mächtigsten ÖVP-Politiker Niederösterreichs dar und war zugleich Chef der niederösterreichischen Energieversorgung. Obwohl sich im Nachhinein herausstellte, dass die finanzielle Gebarung des erfolgreichen ÖVP-Politikers einwandfrei war, erlitt seine politische Karriere dadurch einen schweren Schaden, was auch seine bürgerliche Existenz bedrohte.
Der anonyme Infobrief vom 31. Mai 2019 gibt Aufschluss über empfindliche Details
Der Beginn der Casino-Affäre rund um den ehemaligen österreichischen Vize-Kanzler fällt auf den 31. Mai 2019. Zumindest wird das vermutet, da der Eingangsstempel des Briefes an die Behörden darauf hindeutet (da dieser unleserlich ist, könnte hier aber auch der 21. Mai stimmen). Die genaue Analyse des Briefes soll klären, welche potenziellen Hintergründe oder Motive es geben könnte. Die Anzeige selbst erreichte die Behörden noch gut eine Woche vor dem ersten Auftauchen des sogenannten Ibiza-Videos in der Öffentlichkeit. Handelt es sich tatsächlich nur um einen medialen Doppelschuss der österreichischen Medien, der die Vernichtung eines politisch sehr unliebsamen Charakters zur Folge haben soll? Dies wäre folglich nicht das erste Mal in der österreichischen Politgeschichte der Fall, weshalb Experten zur Vorsicht mahnen und keine voreiligen Schlüsse ziehen.
Bekommt die Casino Austria AG bald wieder mehr Konkurrenz von Novomatic?
Der Schuss solle nach Einschätzungen von Experten auch gleich gegen den etablierten Spielautomaten-Konzern Novomatic gehen. Hier sollte das FPÖ-Nachwuchstalent Peter Sidlo von Novomatic ins Rennen um die Kanzler-Kandidatschaft geschickt werden. Dafür soll das Unternehmen eine nicht unwesentliche Unterstützung von Strache erhalten haben, der diesem in Fragen des „regulatorischen Glücksspiels“ in Zukunft „wohlwollend“ unter die Arme greifen wollte. Demnach soll sich Novomatic aktuell um den Erhalt einer nationalen Online-Gaming-Lizenz bemühen, die bislang einzig und allein der Casino Austria AG (oder kurz: CASAG) vorbehalten ist. Durch die neue Casino-Lizenz Wien soll sich Novomatic zumindest im Bundesland Wien vollkommen verwirklichen können, was Offline- sowie Live Online Casinos betrifft. Lizenzen dieser Art werden aktuell aber nur durch die CASAG vergeben. Für die Bestellung einer weiteren Lizenz reiste der Staatssekretär Fuchs nach London, um sich dort für einen Deal zugunsten der Novomatic starkzumachen. Sollte die FPÖ tatsächlich den erhofften Wahlsieg erringen, solle das sogenannte kleine Glücksspielgesetz zumindest in Wien wieder aktiviert werden.
Welche Folgen die kleine Glücksspiellizenz für Wien hätte
Grundsätzlich bestünde für Novomatic nach einer tatsächlichen Erteilung der kleinen Glücksspiellizenz für das Bundesland Wien dann wieder die Möglichkeit, entsprechende Spielautomaten in großer Anzahl innerhalb der Wiener Admiral Spielhallen aufzustellen. Dies wäre erstmals wieder möglich, nachdem die Rot-Grün-Regierung es erst vor wenigen Jahren gesetzlich verboten hatte. Aktuell können in den besagten Spielhallen nämlich nur Sportwetten angeboten werden, die die etwaigen Standorte für Novomatic wenig profitabel machen. Dennoch betreibt Novomatic die besagten Standorte weiter – in der Hoffnung, dass sich durch derartige Deals mit der österreichischen Politik bald gesetzliche Verbesserungen für das Unternehmen einstellen könnten.
Diese Motive sieht der Briefschreiber hinsichtlich des Novomatic-Deals
Der anonyme Ersteller des Briefs, der vor wenigen Tagen beim WKSta eingegangen ist, unterstellt dem aktuellen Vorstandsvorsitzenden von Novomatic, Herrn Harald Neumann, dass er den Vorstandsposten der CASAG gemeinsam mit Sidlo besetzt, um dafür als Gegenleistung die entsprechende kleine Glücksspiel-Lizenz für das Bundesland Wien wiederzuerlangen. Ferner stützt der Briefschreiber seine Argumentation mit der Einschätzung, dass das Sportwetten-Angebot der Novomatic in Wien aktuell nicht profitabel ist, und sieht vor allem darin die Motivlage. Aktuell besitzt einzig und allein die CASAG eine begehrte Glücksspiel-Lizenz für das Betreiben von Offline-Spielautomaten sowie für deren reichhaltiges Angebot im Bereich der Online-Casinos sowie Online-Slots – und zwar noch bis ins Jahr 2027. Eine weitere Zulassung von Glücksspielkonzessionen für das Land Österreich könne demnach auch nur durch europaweite Ausschreibungsverfahren realisiert werden. Weder die Minister noch die gesamte österreichische Regierung könnten die europäischen Rahmenbedingungen dafür hebeln.